Was Jorge Luis Borges 1939 in "Pierre Menard, Autor des Quijote" noch imaginierte, ist inzwischen aus der Literatur nicht mehr wegzudenken: Seit den 1950er Jahren, insbesondere in den letzten Jahren, entstehen zunehmend Bücher, für die keine neuen, eigenen Texte mehr produziert werden. Statt dessen werden bereits existierende Texte und gar ganze Bücher re-ediert, das heißt: wiederaufgelegt, aktualisiert, kopiert, neu geordnet, zensiert etc. Im Fall der Appropriation literarischer Werke, der im Workshop besondere Beachtung geschenkt werden soll, werden mit Vorliebe kanonische Texte appropriiert, etwa von Flaubert, Hemingway, Joyce, Mallarmé, Milton, Poe, Puschkin, Shakespeare.
Im Gegensatz zur appropriation art in den 1980er Jahren und zu jüngsten literarischen Plagiatsskandalen hat dies bisher jedoch weder zu stürmischen Erregungen im Kunst- und Literaturbetrieb noch zu einer tiefer gehenden Beachtung in der Wissenschaft geführt. Der Workshop soll das Phänomen erfassen und einen ersten Überblick über seine Bandbreite in historischer, systematischer und komparatistischer Sicht geben.
Mit einer musikalischen Lesung von Michalis Pichler & Rembetiko Kompania Berlin und Beiträgen u.a. von Anne Mœglin-Delcroix (Paris), Michael Glasmeier (Bremen), Stefan Römer (Berlin).
Die Diskussionsbeiträge sind vorab erhältlich. Passwort bitte bei der Organisatorin anfordern.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei.
Organisation:
- Dr. Annette Gilbert, Dilthey Fellow der Volkswagen-Stiftung
(Peter-Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft)
Zeit und Ort:
- 5. bis 7. Mai 2011
Literaturwerkstatt Berlin
Knaackstr. 97, Kulturbrauerei
10435 Berlin
Informationen:
Programm
Donnerstag 05.05.11
18.00 Begrüßung
18.15 Prof. Dr. Michael Glasmeier (Bremen): Loop. Zur Geschichte und Theorie der Endlosschleife am Beispiel Rodney Grahams (key note)
19.30 Michalis Pichler & Rembetiko Kompania Berlin: Der Einzige und sein Eigentum. Erste Abteilung: Der Mensch (musikalische Lesung)
Freitag, 06.05.2011
9.30 – 10.15 Prof. Dr. Stefan Römer (Berlin): Aneignungsinteresse in der Kunst
10.15 – 11.00 Dr. habil. Tomasz Waszak (Torun/PL): Der Fall Menard als Provokation oder wie die Textappropriation von der Literaturwissenschaft appropriiert werden kann
11.15 – 12.00 Nora Reinhardt (Bochum): Ohne Begleitschutz – Texte auf der Schwelle. Überlegungen zu Textappropriationen und Paratext
12.00 – 12.45 Dr. Anne Thurmann-Jajes (Bremen): Poetry of Punctuation. Prix Nobel oder die Appropriationen des Carl Fredrik Reuterswärd
14.15 – 15.00 Dr. Benjamin Meyer-Krahmer (Berlin): Zur Appropriation in den Büchern von Dieter Roth
15.00 – 15.45 Gabriele Mackert (Aschaffenburg): Marcel Broodthaers' künstlerische Praxis der Aneignungen
16.00 – 16.45 Dr. Sabine Hänsgen (Bochum/Berlin): Aneignungsstrate-gien von Texten und Büchern im Moskauer Konzeptualismus
16.45 – 17.30 Tobias Amslinger (Berlin): Zu Appropriationen theoretischer Texte (Kant, Wittgenstein, Freud u.a.)
18.15 – 19.45 Prof. Dr. Anne Mœglin-Delcroix (Paris): Reading literature and making artists' books. Some more (less famous) examples of appropriations (key note)
Samstag, 07.05.2011
9.30 – 10.15 Christoph Benjamin Schulz (Bochum): Die schöne Zensur – Über künstlerische Ein- und Übergriffe in den Büchern der Appropriation Art
10.15 – 11.00 Bernhard Metz (Berlin): „The kite is nothing without the string“. Restraints und Constraints im Künstlerbuch
11.15 – 12.00 Janet Boatin (Göttingen): Appropriierte Übersetzungen. Neu(an)ordnungen des Materials
12.45 – 13.30 Albert Coers (Karlsruhe): Das Buch des Künstlers als Künstlerbuch. Zur Ex Libris-Reihe des Salon Verlags
13.30 – 14.15 Léonce W. Lupette (Frankfurt/M.): Edition. Distribution. Programm. Appropriation und Verlage
Zusätzliches Material
Monika Schmitz-Emans: Dasselbe anders. Borges und die Appropriation
Craig Dworkin: The Fate of Echo
Michalis Pichler: Statements on Appropriation